Das mit der Hingabe #4

In Das mit der Hingabe #3 haben wir unser Denken und unsere Bilder zum Thema Grenzen-Setzen verändert – herausgelöst aus einer Konditionierung, die uns einredet, unterlegen zu sein.

Was fehlt jetzt noch?
Dass sich unsere Körper und Gefühle verändern…

Beginnen wir mit dem Körper – mit unserer Bewegung, Atmung und Körperhaltung.

Diese drei Aspekte spiegeln, ob wir uns in uns selbst sicher fühlen oder nicht, ob wir unsere Grenzen verteidigen werden, wenn es nötig ist, oder ob wir fürchten müssen, „uns selbst im Stich zu lassen“.

Wenn wir unsere Bewegung, Atmung und Körperhaltung verändern, verändern wir automatisch unser Selbstbild bezüglich Grenzen-Setzen.

Aus einer Körper-Botschaft von „Hoffentlich passiert mir nichts.“ kann so wieder eine Tigerin werden, die ruhig durch ihren Dschungel streift. Hat sie Angst? Ja, wenn es gefährlich wird. Leidet sie an Nervosität, Misstrauen, Sorgen und Kontrollzwängen? Nein, eben nicht.

Wie nehmen wir auf unsere Körper-Botschaft Einfluss?

Indem wir uns so bewegen, so atmen lassen und so aufrichten, wie es NICHT unserer Konditionierung entspricht.

Leider ist unser kulturelles Erbe bezüglich intakter Grenzen eine Katastrophe. Die als „weiblich“ erlebte Körpersprache ist nachweislich der Körper-Code unterdrückter Gesellschaftsschichten. Die eingeschriebenen Muster der Bewegung, der Stimme, der Kleidung, etc. bilden die Botschaft „Wehrlos ist weiblich.“ so punktgenau ab, wie die Ausbildung im Militär das Fühlen von Gefühlen unterdrückt.

Wir werden körperlich

Unsere Reise-Route verläuft vom „Lächeln und Mitmachen“ zum „Nein-Sagen und Grenzen-Setzen“. Und all das – wir erinnern uns – nicht, um Kriege anzuzetteln, sondern um unser Nervensystem zu nähren, zu beruhigen, zu regulieren, so dass wir den weichen Einladungen in Lust und Hingabe hinein wirklich folgen wollen.

Diese Reise ist eine vehemente körperliche Aktivierung. Wir bewegen uns so eindeutig und kraftvoll, so direkt und fokussiert, dass wir nicht darüber nachdenken können. Wir erwischen und nutzen jenen Instinkt für Verteidigung, den „Fight-Modus“, der zeitlich VOR unserem Nachdenken („Nach-Denken“…) liegt!

So verlassen wir den Boden der Psychologie, der Analyse und der vielen hilfreichen Ratschläge. Für diesen Schritt verwandeln wir uns zurück in ein Tier, welches in seinem Revier wohnt und faucht und kämpft, bis es sich an sich selbst erinnert…

Ich rate allen Frauen, die an den Folgen von wie auch immer gearteten Grenzverletzungen leiden, diesen Bereich des körperlichen Nein-Sagens nachzuholen. Sich mit dem Zustand koordinierter, entschiedener Verteidigung wieder vertraut zu machen. (Koordination ist übrigens eine der Fähigkeiten, die durch Trauma massiv eingeschränkt werden können.)

Mögliche Methoden dafür sind:

Diese Methoden unterscheiden sich deutlich von den Settings der Martial Arts, wo Kunst und Techniken wichtiger sind als die Begegnung mit den eigenen Reaktionen auf Angriffe, Gefahr und Grenzen. Und natürlich kommen wir mit den oben genannten Methoden auch weit darüber hinaus, mit Handtaschen und Pfeffersprays um uns zu schlagen.

Diese Methoden vermitteln Bewegungen, die unsere Instinkte wecken können. Damit triggern sie natürlich auch unsere Ängste…

Nicht wahr – wir scheuen den körperlichen Kampf, weil wir Angst davor haben, wir könnten ihn verlieren. Genau diese Angst jedoch macht sichtbar, wie sehr wir an unseren vergangenen verlorenen Kämpfen leiden – wie sehr uns die Vergangenheit ausbremsen wird, bis wir andere, bessere Erfahrungen mit unseren Grenzen gemacht haben.

Das Gefühl, in den eigenen Grenzen sicher zu sein, liegt in Gehirn-Bereichen, die älter und stärker sind als unser persönliches Denken. Diese tiefen Gehirn-Bereiche reagieren NICHT auf das, was wir glauben oder glauben wollen, sondern auf das, was UNSER KÖRPER in seiner Bewegung, Atmung und Haltung ausdrückt.

Eine Form der effektiven Selbstverteidigung zu kennen und den eigenen Körper in dieser Action zu erleben ist Pflicht, wenn wir individuelle und kollektive Traumamuster abtragen wollen.

Das Ausführen, die radikal simple Praxis, es zu TUN, ist der Goldene Schlüssel. Ein Körper, welcher nie erlebt, DASS er sich wehrt, wird jedes noch so positive Selbstbild im Ernstfall durchkreuzen.

Der eigentliche Glaube an die körperliche Kraft ist kein Daran-Glauben, sondern ein unmittelbares Wissen – ein tiefes Verankert-Sein in dem Gespür für das Richtige im richtigen Moment – und für das Richtige in den falschen Momenten.

4. Schritt: andere Gefühle

Nun fehlen nur noch die Gefühle…

„Ich fühl mich hilflos, wenn ich wütend bin.“

„Ich fühle Scham, wenn ich mal eine Grenze gezogen habe. Ich komme mir unhöflich war und hysterisch.“

„Meine Wut bringt doch nichts, sie trifft eh immer die Falschen…“

„Ich hab Angst, einsam zu sein, wenn ich Nein sage.“

Gefühle sind ein Riesenthema, nicht wahr? In Bezug auf Hingabe und Grenzen machen unsere Gefühle den Eindruck, ein bösartig verhedderter, hoffnungsloser Knoten zu sein, voll von Widersprüchen und Teufelskreisen.

Hier kommen GUTE NACHRICHTEN: Das Gegenteil ist der Fall.

Widersprüchliche Gefühle sind einfach nur ein Symptom von vielen, wenn wir mit einem Thema „ein Thema haben“, und wir bräuchten uns deswegen keine Sorgen zu machen. Die verwirrenden Gefühle entheddern sich von allein – wenn wir sie in Ruhe lassen und uns stattdessen um unsere Körper kümmern!

Heißt im Klartext: Unsere Gefühle folgen unseren körperlichen Bewegungen – unsere Gefühle entstehen in unseren Körpern! Ohne dass wir es merken, erzeugen wir unsere Verzweiflung, Scham und Schuldgefühle durch körperliche Verspannungen. Wenn unsere Körper nun andere Bewegungen machen als die gewohnten, rutschen wir automatisch aus den konditionierten Opfer-Rollen.

Anstatt uns darauf zu stürzen, unsere Gefühle zu fühlen, sie zu verstehen, zu befrieden oder was sonst wir damit tun können, verlassen wir die Ebene der Gefühle und widmen uns unseren Körpern.

Noch einmal: Die emotionale Ebene folgt der körperlichen.

Wenn wir uns körperlich statt emotional orientieren, heißt das nicht, dass wir nichts fühlen werden. Im Gegenteil: Wir werden bemerken, dass uns ein echter Kampf-Modus in unserem Nervensystem Angst macht. Wir werden während unserer Tritte und Schläge zittern und wir werden weinen. Aber diese Gefühle sind lebendig und spontan – sie tauchen organisch im Verlauf unserer Veränderung auf und sie markieren unsere Heilung, nicht unsere Stagnation.

Mit diesen 4 Ebenen, um unsere Grenzen zu reparieren…

… erholen wir uns in unseren Gedanken und Bildern, in unseren Bewegungen und Gefühlen davon, ein verwundeter Mensch zu sein, und werden wieder ein ruhiges Tier. So fließen wir unerwartet in das Vertrauen zu unseren Artgenossen zurück, in unsere Lust an sexueller Hingabe und in einen erotischen Kontakt zu unserer Welt.

Das ist der schlichte Schluss-Akkord, nachdem wir in das Chaos unserer Traumata getaumelt sind, uns das Herz aus der Brust gesehnt haben, aufgebrochen sind, unsere Grenzen zu stärken – und wenn wir das mit der Hingabe als eine Lehrerin für unser ganzes Leben nutzen.

 


Neugierig auf mehr Gespür für deine Grenzen? Seminare zu der Methode TigerWork finden mehrmals im Jahr in Berlin statt, in gemeinsamer Leitung mit meinem Partner Mari. Und wenn du außerhalb wohnst und 8-10 Frauen in deiner Umgebung kennst, die ebenfalls neugierig sind… lad uns gerne in deine Stadt ein!

 

©Ilan Stephani
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